21 Sep. LustAngst – über den Mut, im Dazwischen zu bleiben
Veränderung beginnt selten mit einem Ziel. Oft beginnt sie mit einer Bruchstelle – einem Rollenverlust, einer Entscheidung, die alles verändert, einem Gefühl von: „Ich war das mal“.
Seit meiner Entscheidung wieder zurück ins Rheinland zu ziehen, bin ich wieder stärker in diesem Zwischenraum.
Ich beende eine sichere Anstellung und baue mir mein eigenes Coaching-Business auf: refraym.
Der Name ist Programm: er steht für den Moment, in dem ein Bild einen neuen Rahmen bekommt.
Plötzlich verschiebt sich der Blick, und aus einer alten Geschichte entsteht eine neue Perspektive.
Für mich bedeutet Veränderung nicht, alles hinter sich zu lassen, sondern das Vorhandene neu einzurahmen.
Gedanken aus dem Dazwischen
Vor einigen Wochen habe ich meine Tätigkeit als Teamleiterin und Trauerbegleiterin bei der Hamburger Beratungsstelle Charon beendet. Bevor etwas Neues beginnen konnte, brauchte es eine Pause – Zeit, die Leere auszuhalten.
Auf einem Roadtrip mit meiner besten Freundin und meinem Hund Cooper überquerten wir sieben Landesgrenzen. Mit jeder Grenze änderte sich das Landschaftsbild, und mit jedem Kilometer entfernte ich mich ein Stück mehr vom Alltag. Diese Etappen fühlten sich an wie kleine Übergänge: ein Prozess des Loslösens und der Entfremdung vom Alten.
Gleichzeitig öffnete sich ein Raum, in dem ich mein Leben mit Abstand betrachten konnte.
Wo stehe ich nach dem Ende meiner Tätigkeit?
Wie wird meine Selbständigkeit mit refraym anlaufen?
Wofür will ich meine Energie einsetzen?
Auf dieser Reise spürte ich LustAngst in ihrer ganzen Breite.
Lust auf Aufbruch – und Angst vor dem, was kommt.
Bei über 4.000 gefahrenen Kilometern gab es viel Zeit zum Nachdenken, zum Reinspüren.
Ich lernte, das Dazwischen als Sammelbecken für Ideen zu begreifen.
Wieder zuhause angekommen, breiteten sich meine Zukunftsbilder wie eine Collage vor mir aus.
Abschiedsweh
Eine erste Entscheidung war klar: Ich ziehe zurück ins Rheinland.
Zwei Jahre Hamburg – ich habe viel investiert und viel gelernt.
Doch nun überkommt mich Abschiedsweh.
Dieser Abschluss will betrauert werden, die Zeit im Norden will in voller Bandbreite gewürdigt werden.
Ich folge meinem Herzen, mit Zuversicht und mit LustAngst.
In den nächsten Wochen bereite ich meinen Umzug vor und bleibe dabei sichtbar im Dazwischen.
Aber jetzt, da die Entscheidung gefallen ist, kann ich mein Zukunftsbild wieder neu rahmen.
Ambivalenzliebe: LustAngst
Manchmal fühlen wir zwei Dinge gleichzeitig – und beide haben ihre Berechtigung.
Lust auf Aufbruch und gleichzeitig Angst vor dem Ungewissen.
Beides will uns etwas mitteilen.
Ich nenne das Ambivalenzliebe:
die Fähigkeit, widersprüchliche Gefühle nebeneinander stehen zu lassen, ohne sie auflösen zu müssen. Dieses Dazwischen ist kein Vakuum. Es ist ein Ort, an dem sich Neues sammelt bevor die Richtung klarer wird.
LustAngst beschreibt genau dieses Gefühl.
Kennst du dieses Flirren im Bauch, wenn beides zugleich in dir wohnt?
Es ist das Gefühl, das an der Schwelle steht – ein Vor und Zurück, ein Zögern und ein Drängen.
„Zwischen Lust und Angst liegt der Anfang.“
Veränderung beginnt selten mit einem Plan.
Übergänge sind oft unsicher, offen, unfertig.
Genau dort entsteht ein Raum, der unbequem und zugleich voller Möglichkeiten ist.
refraym möchte diesen Raum sichtbar machen: das Dazwischen, in dem Altes endet und Neues noch nicht greifbar ist.
In meiner Arbeit als systemische Coachin und Trauerbegleiterin erlebe ich, wie hilfreich es ist, nicht vorschnell ins Weiter so zu springen. Oft braucht es erst ein Innehalten, Wahrnehmen und Würdigen, bevor der nächste Schritt sichtbar wird.
Mein eigener Abschied von Hamburg ist ein Beispiel dafür.
Ich habe viel Kraft und Herz in diese Stadt investiert und spüre gleichzeitig, dass mein Weg jetzt ins Rheinland führt. Der Abschied fällt schwer, aber er ist Teil des Prozesses.
Übergänge bedeuten nicht nur Aufbruch, sondern auch Würdigung dessen, was war.
🌿 Dieser Text erschien zuerst im refraym letter – dem monatlichen Newsletter über Wandel, Übergänge und die Kunst, neu zu rahmen.
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