refraym

Sie verbindet emotionale Bewusstheit mit systemischem Denken und macht so Menschen und Organisationen zukunftsfähig.

Denn wo Endlichkeit verstanden wird, entstehen Klarheit, Haltung und Orientierung.

Britta und Cooper auf Sylt im Lastenrad

Weite & Tiefe. Über Hochsensibilität, Scannertum und Ambivalenzliebe

Ich habe lange nicht gewusst, dass ich hochsensibel bin. Und ehrlich gesagt: Ich finde es bis heute schwierig, das an etwas ganz Konkretem festzumachen.
Aber es gibt viele Momente, in denen mein Empfinden, mein Wahrnehmen, mein Reagieren ziemlich genau dem entspricht, was man über Hochsensibilität liest.

Hochsensibilität beschreibt Menschen, deren Nervensystem Reize intensiver aufnimmt und verarbeitet. Geräusche, Stimmungen, Zwischentöne – all das dringt tiefer ein, wird stärker gespürt und braucht länger, um verarbeitet zu werden. Es ist, als würde die Welt ein bisschen lauter, dichter und farbiger ankommen.

Irgendwann begann ich zu recherchieren und rückblickend zu verstehen, warum ich als Teenager so eine verdammte Wut in mir spürte. Warum ich mich oft „anders“ fühlte, obwohl ich nach außen funktionierte.
Mir wurde klar, dass ich über Jahre versucht hatte, mich anzupassen obwohl in mir längst ein deutliches Nein spürbar war. Ich habe gelernt, vieles innerlich auszuhalten. Zu lange auszuhalten. Bis zur Erschöpfung.
Heute merke ich manchmal, dass meine Wahrnehmung wie abgestumpft wirkt, und ich weiß zugleich: Das war Selbstschutz. Mein System hat sich geschützt, indem es die Welt leiser drehte.

Was ich schon lange über mich weiß: Ich bin eine Scanner-Persönlichkeit.
Barbara Sher beschreibt damit Menschen, die viele Interessen, Ideen und Leidenschaften haben die ständig Neues entdecken wollen und ungern bei einer Sache bleiben. Scanner springen, verknüpfen, erfinden und sind dabei meist schneller, als sie selbst hinterherkommen.

Hochsensibel und vielseitig interessiert – wie passt das zusammen?
Für mich war das lange ein Widerspruch. Ich spürte schon immer diese Ambivalenz in mir, diese Gegensätze: Nähe und Distanz. Rückzug und Aufbruch. Tiefe und Weite.
Ich dachte, ich müsste mich entscheiden. Für eine Seite, für eine Art wie ich sein wollte.
Wie oft bin ich angeeckt, wurde missverstanden, habe mich „zu viel“ oder „zu wechselhaft“ gefühlt.
Bis mir klar wurde: Meine Gegensätze gehören zusammen.
Es gibt keine Nähe ohne Distanz, keinen Tag ohne Nacht.
Ich darf in der Mitte dieser Pole wandeln und beides in mir vereinen.

Aus dieser Erkenntnis entstand Ambivalenzliebe.
Ein Begriff, der für mich beschreibt, dass Spannungen nichts Bedrohliches sind, sondern Quellen von Lebendigkeit.
Ambivalenzliebe bedeutet, Gegensätze nicht aufzulösen, sondern sie zu halten – bis daraus etwas Neues entstehen kann.

Aktuell taucht sie regelmäßig als Rubrik in meinem refraym letter auf – und bald auch als Coaching-Karten-Set, das dich einlädt, innere Spannungsfelder zu erkunden und als Kraftquelle zu nutzen.

Ambivalenzliebe × Resonanzrad

Ambivalenzliebe ist die Haltung, das innere Ja zu den Gegensätzen.
Das Resonanzrad (das ich gerade entwickle) ist die Praxis dazu. Ein Werkzeug, um diese Gegensätze im Alltag zu navigieren.

Es beschreibt den Spannungsbogen zwischen zwei Kräften, die in mir (und vielen anderen Hochsensiblen) wirken:
Weite: der Scanner in mir, der forscht, vernetzt, Neues will.
Tiefe: die Hochsensible in mir, die spürt, innehält, Bedeutung sucht.

In der Mitte dieses Spannungsfelds liegt Resonanz: der Punkt, an dem Weite und Tiefe miteinander in Schwingung kommen.
Dort entsteht Balance, Klarheit und Selbstführung.

Ambivalenzliebe ist also nicht das Ziel, sondern die Bewegung zwischen den Polen.
Sie erinnert mich daran: Ich muss mich nicht entscheiden.
Ich darf wechseln.
Ich darf widersprüchlich, lebendig und vielschichtig sein.
Und genau darin liegt meine Ruhe.